SI Club Interlaken

Vortrag zu ethischen Fragen rund um Flucht und Migration

Der Ethiker und Theologe Wolfgang Lienemann referierte Mitte April 2017 im Kirchgemeindezentrum Futura Unterseen zum Thema „Ethische Fragen von Flucht und Migration“. Der Erlös des öffentlichen Vortrag-Abends, an dem viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer teilnahmen, ist zugunsten des Kinderhilfswerk Tuwapende watoto in Tansania.

Wolfgang Lienemann lehrte bis ins Jahr 2010 an der theologischen Fakultät der Universität Bern. In seinem Vortrag beleuchtete er politische, rechtliche und ethische Dimensionen der Migration. Er startete mit einem Bild zur Auswanderung armer Schweizer zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bevor er zur aktuellen Situation überging. Ende März 2017 waren in der Schweiz insgesamt 118‘551 Personen des Asylbereichs verzeichnet, wovon 25’217 Verfahren erstinstanzlich hängig sind. Diese Zahlen seien im internationalen Vergleich niedrig – würden in der Bevölkerung jedoch anders wahrgenommen: „Gefühlt sind es viele.“

In der aktuellen Situation stellten sich verschiedene Fragen zum Umgang mit geflüchteten Menschen. Die Übergänge zwischen Flüchtlingen, die schutzbedürftig seien, und Migranten, die aus unterschiedlichen Gründen bessere Lebensbedingungen suchen würden, seien fliessend. Staaten hätten sowohl die Pflicht Flüchtlinge zu schützen, als auch die Migration zu regeln. Der Referent sprach sich damit gegen die Idee gänzlich offener Grenzen und für die Durchsetzung bestehender Gesetze aus. Die Rückschaffung sei seines Erachtens jedoch inakzeptabel bei Personen, die während vieler Jahre in der Schweiz gelebt und sich integriert hätten. Hier ergebe sich ebenso ein Dilemma, wie bei spezifischen Fluchtgründen, die aus Schweizer Perspektive schwer nachvollziehbar seien – etwa Bedrohung im Zusammenhang mit Voodoo-Zauber oder Blutrache – oder bei einer Gefährdung, die beispielsweise erst durch die Teilnahme an politischen Aktivitäten im Aufnahmeland entstehen würden. Speziell schwierig sei zudem die Lage papierloser Menschen. Diese so genannten Sans Papiers würden teilweise jahrelang ohne gesicherten Status in Privathaushalten oder bei Betrieben arbeiten.

Wolfgang Lienemann plädierte für eine europäische Flüchtlingspolitik, die eine rechtlich korrekte Behandlung der Geflüchteten beinhaltet, den effektiven Schutz der Aussengrenzen des Schengen-Raums, verbindliche Vereinbarungen über die Aufnahme und Verteilung Schutzbedürftiger, die Koordination der Regelungen in den einzelnen Ländern sowie die demokratische Legitimation der Flüchtlings- und Migrationspolitik in den Staaten.

Im Anschluss an das Referat schilderte Pfarrerin Julia Ritz ihre Erfahrungen mit der Beschäftigung eines Flüchtlings als Praktikant in der Kirchgemeinde Unterseen. Der administrative Aufwand sei relativ hoch gewesen, habe sich aber gelohnt. Amjad Muhamad übernehme diverse Arbeiten beim Sigrist und die Familie integriere sich. In Syrien hatte er zusammen mit seiner Frau Hebah ein Restaurant geführt. Von diesen Qualitäten konnten sich die Anwesenden bei einem reichhaltigen Apéro mit arabischen Spezialitäten überzeugen. Der Erlös des Abends geht an das Kinderhilfswerk Tuwapende watoto in Tansania.

Der Interlakner Club wurde vor 25 Jahren gegründet und umfasst derzeit 29 Mitglieder aus der Region.

  1. April 2017 Sabina Stör